«JER JE VRIJEME BLIZU»«DENN DIE ZEIT IST NAH»

Dichtungen von Mak Dizdar mit Rezitation, Eurythmie und Musik in Bosnien-Hercegovina

«Seit Jahren quält mich das Phänomen des mittelalterlichen Menschen Bosniens (dessentwegen die Engel schwarz wurden und Satan neue Falten bekam). Stundenlang habe ich vor den Grabsteinen der Nekropolen dieses Landes gestanden, die zu Füßen uralter Wälder liegen. Von den Steinkolossen gingen in mich die verschiedenartigen Symbole der Sonne, verflochtener Pflanzen und ausgestreckter menschlicher Arme ein. Nachts umringen mich Aufzeichnungen an den Rändern alter Bücher, deren Zeilen durch die Fragezeichen der Apokalypse aufschreien. Dann besucht mich der Schläfer unter dem Stein. Seine bleichen Lippen aus Sandstein öffnen sich, und seine stumme Sprache wird klangvoll. In ihm erkenne ich mich wieder, aber ich bin noch nicht sicher, daß ich auf dem Wege bin, dieses Geheimnis zu enthüllen...»

Mit diesen Worten beschreibt Mak Dizdar (1917-1971) die Bogumilensteine als Inspirationsquell seiner Dichtungen. Die Worte des «Steinernen Schläfers» («Kameni Spavač»), wie er sein Hauptwerk nannte, wurden vielen Bosniern durch schwere Zeiten hindurch zur geistigen Wegzehrung. Sie erzählen vom Gefangensein des Menschen im Fleische, vom Sonnenwesen des Christus und der Machtlosigkeit des Todes. Eines seiner populärsten Gedichte spricht vom «Blauen Fluß», hundert Jahre breit und tausend Jahre tief, den es, jenseits von Vernunft und Gott, heute zu überschreiten gilt. Flüsse und ihre Brücken können als Symbole der Aufgabe Bosniens gelten und eine Ahnung davon liegt tief in den Seelen der Menschen. Was die Bogumilen im späten Mittelalter im Hinschauen auf den kosmischen Aspekt des Christus vorgelebt haben, ist heute zur Entscheidungsfrage der Menschheit insgesamt geworden. Auch oder gerade das läßt Bosnien zum Herzen Europas werden.

Rezensionen der Aufführungen in Schopfheim und Travnik

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