GABRIJELA BALOG

LEBENSBILD

Gabrijela wurde am 5.4.1963 in Osijek/Kroatien geboren.


Ihre Kindheit verbringt sie in ländlicher Umgebung und enger Vertrautheit mit den Großeltern. Als die Familie nach Stuttgart übersiedelt, kann sich Gabrijela zunächst nicht in den neuen Sprachraum hinein finden und verweigert für ein Jahr außerhalb der Familie die Sprache.
Nach einer Gärtnerlehre in der DEMETER-Gärtnerei nimmt sie Schauspielunterricht und setzt diesen Ausbildungsweg in Stuttgart-Fellbach fort.
Damit verbindet Gabrijela den Impuls, die Sprachgestaltung in den südslawischen Sprachraum zu tragen. So übersiedelt sie bereits kurz nach dem Abschluss nach Zagreb, wo sie u.a. an der neugegründeten Waldorfschule ein Tätigkeitsfeld findet. Hier arbeitet sie mit den Lehrern und Kindern u.a. an den Kulturepochen und studiert das Oberuferer Weihnachtsspiel in kroatischer Sprache ein. Zudem wirkt sie in der Lehrer- und Kindergärtnerausbildung in Kroatien und Slowenien mit und unterrichtet auch immer wieder in Österreich. Von Zagreb aus besucht sie auch das Tschechow-Seminar in München.
Gabrijela verstand sich als Vermittlerin zweier Heimatswelten. Sie war Pionierin auf ihrem Gebiet in Kroatien und benötigte unter den dortigen erschwerten Lebensbedingungen vielfältige Hilfe von Menschen, die sie fachlich, teils aber auch materiell unterstützten. So suchte sie immer wieder den Rückhalt in den „Quellgebieten“, pflegte vielfältige Kontakte, war in vielen Bereichen tätig oder zumindest anwesend und trug, was sie empfangen konnte, in ihr Arbeitsfeld. So ergab sich für sie auch eine wachsende Beziehung nach Wien, wo sie ab 2007 an den Aufführungen der Mysteriendramen in den Rollen der Estella, des Lucifer und der Helena mitwirkte. Sie war glücklich, dass durch ihre Initiative Anfang 2011 die „Pforte der Einweihung“ in Donji Kraljevec, dem Geburtsort Rudolf Steiners, aufgeführt werden konnte.
Kurze Zeit darauf brach eine längst überwunden geglaubte Krebserkrankung wieder hervor, die Gabrijela zunächst allein bzw. mit Hilfe nur des engsten Freundeskreises trug. Von den schulmedizinischen Behandlungsmethoden wollte sie dabei nichts wissen. Sie war voller Zukunftspläne und eine ihrer letzten Sorgen galt der Aufnahme in den Berufsverband für Sprachgestaltung und Schauspiel. Als sie sich endlich ins Krankenhaus bringen ließ, konnten ihr die Ärzte nicht mehr helfen; sie verstarb nach wenigen Tagen in den Morgenstunden des 12.7.2011 mit einem Lächeln im Gesicht.
Ein erstaunlich großer Freundeskreis begleitete in den folgenden Tagen ihren Weg in die geistige Welt und zeigte, wie sehr ihr Wirken Menschen aus verschiedenen Bereichen zusammenführen und verbinden konnte.
Gabrijela betrat die Erde durch das Tor des Sternzeichens Widder und tatsächlich brauchte sie dessen Stärke und Durchsetzungskraft dringend für die gewählten Aufgaben. Energisch suchte sie nach Wegen, zu verwirklichen, was sie sich vorgenommen hatte – sei es im Künstlerischen oder Privaten. Das machte das Zusammenwirken mit ihr nicht immer einfach, doch konnte sie auch wieder mit aller Herzlichkeit auf jemanden zugehen.
Der Impuls, die Sprachgestaltung in den Südslawischen Raum zu tragen, war bei Gabrijela verbunden mit einer tiefen Beziehung zu den Dichtungen des bosnisch-herzegowinischen Dichters Mak Dizdar. Seinem Werk galt ihr inneres Anliegen und wo immer sie aus eigenem Antrieb rezitierte, ging es um seine Gedichte. Es war, als hätte sie die Sprachgestaltung hauptsächlich ergriffen, um seinen Gedichten Gehör zu verschaffen. Und wie sie die Sprachgestaltung nach Südslawien bringen wollte, brachte sie die Dichtung Dizdars nach Mitteleuropa.
Mak Dizdar ließ sich für seine Dichtung von der ganz einzigartigen und nur in Bosnien-Herzegowina vorhandenen Grabsteinkultur der mittelalterlichen Bogumilen inspirieren. Diese standen in der manichäisch und paulinischen Tradition und versuchten ein lebendiges Ur-Christentum ohne Vermittlung der autoritativen Struktur der Großkirchen zu leben.
In diesem Impuls trafen sich die Schicksalswege Gabrijelas mit denen des Verfassers dieses Nachrufs:
Unter dem belastenden Eindruck der Kriegsereignisse im auseinandergefallenen Jugoslawien erarbeiteten wir ein Programm mit den Gedichten Mak Dizdars in Original und Übersetzung, das wir durch fünf Jahre immer wieder an verschiedenen Orten aufführten.
Man kann die Gewissheit haben, dass ihr ganzer Zukunftswille, ihre Kraft, ihr Mut und ihre Zuversicht jetzt aus der Geistigen Welt weiterstrahlen werden.
Wer etwas für die finanzielle Unterstützung ihrer 12-jährigen Tochter Rafaela beitragen möchte, findet unter www.mysteriendramen.org (-> Ensemble) nähere Angaben.

Martin-Ingbert Heigl

 

Einen guten Schild suchte ich, dass er schütze mich
Warf ihn dann fort, den guten, denn er drückte mich.
(Mak Dizdar)